Dominikanische Republik

Christoph Kolumbus landete 1492 auf der Insel, die er nach dem Land seiner Auftraggeber Hispaniola nannte. Seine Männer errichteten ein Fort, La Navidad, womit die erste Kolonie Spaniens in der neuen Welt begründet wurde. Einer Welt, die Kolumbus irrtümlich für Indien hielt. Hier hoffte er, sagenhafte Schätze aus Gold und Gewürzen zu finden. Es gibt zwar Gold und Silber in der Dominikanischen Republik, aber die knapp 11 Millionen Einwohner verlassen sich heute lieber auf den Tourismus und landwirtschaftliche Produkte wie Zucker, Bananen, Kaffee und Tabak. Die Insulaner sind Nachfahren europäischer Siedler und Soldaten (hauptsächlich Spanier) und afrikanischer Sklaven. Die indigene Bevölkerung, das Volk der Arawak, wurde früh von den Eroberern verdrängt.

Santo Domingo

Die Hauptstadt zählt nur wenige Sehenswürdigkeiten. Die Hauptattraktion ist sicherlich die Zona Colonial, in der wir in einer Nebenstrasse ein Studio mieten. Zu Fuss erkunden wir die rechtwinklig angelegten Gassen mit den farbigen Häusern, schmiedeeisernen Balkonen und den unterschiedlichsten Kopfsteinpflastern. Die lange Calle El Conde ist eine einzige Kunst- und Partymeile. Sie führt zum Parque Colón, wo wir uns in eines der zahlreichen Kaffees setzen und dem Treiben zuschauen: Rhythmusgruppen trommeln auf ihren Bongos, Kinder spielen zwischen tanzenden Erwachsenen oder jagen Tauben nach. Alte Männer schwatzen zigarrenschmauchend unter schattenspendenden Bäumen oder beobachten die jungen, hübsch herausgeputzten Mädchen, die ihre Quinceañera feiern (den 15. Geburtstag, der den Übergang vom Mädchen zur Frau symbolisiert) und sich mit ihren Freundinnen unter dem schützenden Blick von Papa vor dem Fotografen in Pose werfen. In den Gassen beobachten wir gestikulierende Menschen, die sich um die mitten auf der Strasse aufgestellten Dominotische scharen.

Der Süden

Ein stark klimatisierter Reisebus der Caribe Tour fährt uns nach Barahona, wo wir uns in einem kleinen Bed and Breakfast einquartieren, inmitten eines hübschen Gartens mit Pool und Hängematte. Pedro verwöhnt uns die ganze Woche mit Köstlichkeiten aus seinem Heimatland Spanien. Leider ist die Umgebung nicht ganz so einladend. Überall liegt Plastikmüll verstreut: in den Strassengräben, an den Stränden, im Wald, selbst in den Vorgärten der Häuser. Kühe grasen zwischen Plastikflaschen und leeren Chipspackungen und Hunde stöbern durch gebrauchte Servietten und Windeln. Einweggeschirr und Bierflaschen werden an den schönsten Stränden und Flussufern achtlos weggeworfen. Die malerische Landschaft verliert so deutlich an Reiz.

Doch wir finden auch aufgeräumte Nischen, zum Beispiel die Playa Secreto, die so geheim ist, dass sie noch nicht einmal einen eigenen Namen erhielt. Pedro, unser Gastgeber, zeigt uns ein Juwel der anderen Art: den Larimar, ein sehr seltener Halbedelstein, eine Varietät des Minerals Pektolith. Seine Farben variieren zwischen Hellblau und Grünblau, mit weissen Steifen, die an die reflektierende Sonne in bewegtem Wasser erinnern. In der Provinz Baoruco findet sich die einzige Larimar-Mine der Welt, auf über 700 Metern Höhe. Die Mine ist als Kooperative organisiert und nur wer von hier stammt, kann eine Schürflizenz beantragen. Doch das ist kostspielig, denn für die Erschliessung einer Mine müssen rund 800'000 Dollar investiert werden. Die hohen Investitionskosten seien jedoch in der Regel bereits nach vier Monaten wieder egalisiert, wie man uns versichert. Enge, nur mit Holzbalken abgestützte Minenschächte werden mit schwachem Licht aus einfachen Glühbirnen beleuchtet. Ein Dieselgenerator bläst Luft in die Stollen, in die sich die Arbeiter mittels Winde auf einem Stück Holz bis zu 60 Meter in die Tiefe abseilen. Nur die Vorarbeiter tragen zum Schutz vor Steinschlag einen Helm, alle anderen sind in einfachen Hosen, Gummistiefeln und nacktem Oberkörper den rauen Wänden ausgesetzt. Die einen pickeln sich durch den Stollen, andere transportieren den Schutt in Schubkarren nach draussen in bereitstehende Mopedlaster, während Dritte den Larimar aus dem Abraum sondieren. Die Rohlinge werden anschliessend geschliffen und bearbeitet. Eine Arbeitsschicht dauert bis zu zehn Stunden und Lohn erhalten die Arbeiter nur, wenn sie Steine finden. Die Regierung verbietet die Errichtung eines Bergbaudorfs, darum schlafen die Mineure, von denen viele aus Haiti stammen, in den Werkzeugbaracken, den Kioskbuden oder den Garküchen mit grossen, russgeschwärzten Töpfen über offenem Feuer – dem einzigen Platz, an dem wir Frauen antreffen. Larimar ist unter Mineralien-Sammlern sehr begehrt und wird auch zu Schmuck verarbeitet. Vor Ort werden geschliffene Stücke für einen Dollar pro Gramm angeboten. Und noch besser: Wo der Rio Baoruco ins Meer fliesst, kann man die mitgeschwemmten Steinrohlinge frei einsammeln - sie schimmern himmelblau zwischen den weissen Strandkieseln hervor. Wir kommen uns vor wie Schatzsucher und geraten in einen mehrstündigen Sammelrausch. Der Name Larimar stammt übrigens von der Kombination aus Larissa (der Tochter des Namensgebers) und dem spanischen Wort Mar, weil man lange Zeit glaubte, die blaue Färbung stamme vom Meer.

Weiter im Süden entdecken wir den Rio Los Patos, der mit 61 Metern Länge offiziell kürzeste Fluss der Antillen und in San Rafael baden wir im glasklaren Fluss, der sich über mehrere Terrassen in natürliche Pools ergiesst und kurz darauf ins Meer mündet. Dort unterhalten wir uns mit einem Taucher, der mit der Harpune nach Langusten jagt, nebenbei ein Fischerboot unterhält und in der Hauptstadt Camion fährt. Für viele Insulaner bestimmt das Meer den Speiseplan und sie leben von der Hand in den Mund – was den Eigenbedarf übersteigt, wird gleich am Strand an die zahlreichen Garhütten verkauft. Einige verdienen sich ihren Lebensunterhalt mit der Züchtung von Kampfhähnen. In etlichen Dörfern gibt es eigens dafür gebaute Arenen, in denen man auf seine Favoriten wettet. Leonardo zeigt uns seine prächtigen Tiere, allen voran seinen Rekordsieger, der in einem kleinen Maschendrahtgehege auf einem Ast sitzt und uns mit wachem Auge anschaut. Die vielen Kämpfe sind ihm auf den ersten Blick nicht anzusehen: sein goldbraunes Gefieder glänzt, die dunklen Schwanzfedern sind buschig und lang, der rote Kamm intakt. Wahrscheinlich ist er bislang unversehrt geblieben, weil er sich aufs schnelle Töten versteht – 6 Sekunden dauerte der kürzeste Kampf.

Wetten und ein kühles Bier am Wochenende, das sind die Dinge, wofür Mann sein weniges Taschengeld ausgibt. Einen Teil muss er allerdings für seine Frau beiseitelegen, will er den Haussegen bewahren. Der dominikanischen Frau geht die Schönheit über alles – in Form kunstvoll bemalter und mit Strass besetzter Nägel und mit aufwendigen Hair Extensions (vorzugsweise echtes Haar indischer Frauen: lang, glatt, seidig und schwarz muss es sein). Beauty Salons finden sich noch im entlegensten Kaff.

Punta Cana im Osten

Kilometer um Kilometer reihen sich All-inclusive-Hotelanlagen der Küste entlang und blockieren den Zugang zu den Stränden. Bei jedem Eingang Schlagbäume und Wachposten, die Nichtgästen den Zutritt verweigern. Obwohl wir Luftlinie nur einen Kilometer vom Meer entfernt wohnen, gehen wir zweieinhalb Kilometer zu Fuss, bis wir endlich die Zehen in den weissen Sand graben können. Der Rückweg ist noch mühsamer. Tanja entscheidet sich für eine Abkürzung durch eine temporär ausser Betrieb stehende Hotelanlage. Der erste Wächter versucht sie von der Gefahr runterfallender Kokosnüsse zu überzeugen, gibt schliesslich aber händeverwerfend auf und schiebt das Problem an seinen Kollegen ab, der auf dem Scooter heranbraust und sich drohend vor ihr aufbaut. Es folgt ein lautstarkes Hin und Her auf Spanisch (er) und Englisch (sie), bis auch er schliesslich aufgibt und Tanja grollend durch die Anlage eskortiert. Nun liegt nur noch ein stillgelegter Golfplatz im Weg, aber nach dem Erlebten ist der zusätzliche Kilometer rundherum wohl die kluge Wahl. Die Lust auf Strand ist uns nach diesem Erlebnis etwas vergangen, wir pendeln nur noch zwischen dem Sitzplatz unseres Appartements und dem Pool (rund 10 Meter Distanz) und sind uns einig, dass wir diese Gegend bei einem nächsten Besuch der Dom Rep ignorieren werden.

Samaná

Nach der touristischen Bubble Punta Canas empfinden wir die Halbinsel im Nordosten als erfrischend authentisch. Das Leben findet an und auf der Strasse statt. Wir fahren vorbei an einfachen, in himmelblau, mintgrün oder gelb gestrichenen Häusern aus Beton und Holz, an blechernen Lotteriehäuschen und ebenso lottrigen kleinsten Bankfilialen und an Kiosk-Baracken und Bars, aus denen Musikfetzen dröhnen. Das Angebot der Kioske umfasst Limonade, Bier, Rhum, Bananenchips, Erdnüsse, Zigarren, USB-Kabel und Sonnenbrillen. Aus allen Winkeln schiessen knatternde Mopeds in die Strassen, überholen links und rechts und weichen geschickt den mit gelber Sprühfarbe markierten Schlaglöcher aus. Tourenanbieter stehen am Strassenrand und strecken uns laminierte Plakate entgegen: Walbeobachtungstouren, Bootsfahrten zu abgeschiedenen Stränden, Zip-Lining und Wasserfall-Treks. Wir organisieren uns selbst und wandern frühmorgens zum Wasserfall El Limón, so dass wir in der Gischt baden können, bevor die vielen übergewichtigen Touristen auf klapprigen Pferden antraben.

Wir verbringen einen halben Tag auf der Pura Mia, einem Walbeobachtungsboot, mit Meeresbiologin Kim, die in Spanisch und Englisch erklärt, sowie ihren Helferinnen, die in Französisch und Deutsch übersetzen. Die etwas höheren Billettpreise zahlen sich aus, denn a) gibt es eine Bordtoilette (nicht, dass man sie zwingend benützen muss, aber wehe man ist vier Stunden auf einem Boot ohne…), b) bleiben die Schwimmwesten verstaut und wir können uns frei auf dem Boot bewegen und c) erfahren wir in der Zeit des Whale-Waiting bis zum Whale-Watching viel Interessantes über diese faszinierenden Meeressäuger, die bis zu 70 Jahre alt werden.

Samaná ist das, was wir uns unter der Karibik vorstellen: weisse Strände, kokosnussbehangene Palmen, Reggae-, Calypso- und Merengue-Klänge, kreolische Küche und freundliche Gesichter. Auffallend viele Italiener und Franzosen finden hier ihre Wahlheimat, ganz besonders in Las Galeras, einem Fischerdorf, das viele kleine Boutiquehotels bietet, aber glücklicherweise auf überdimensionierte Anlagen verzichtet. Vom Dorf aus wandern wir in rund 45 Minuten zur entlegenen Playa Madama, wo wir schon von Weitem eine angeheiterte Gruppe Französinnen ,Les Champs-Elysees’ schmettern hören. Bei unserer Ankunft steigen sie zum Glück ins Motorboot und rauschen singend davon. Sie lassen uns mit drei einheimischen Fischern zurück, die uns mit der Machete geöffnete Kokosnüsse schenken und sich dann mit ihrem Fang nach Hause aufmachen. Allein gelassen an diesem idyllischen Strand hüpfen wir splitterfasernackt ins türkise Wasser und geniessen die Einsamkeit.

Wir gönnen uns einen Luxus-Kurzaufenthalt bei Mischa, einem vor zwanzig Jahren ausgewanderten Schweizer, der sich auf 60'000 m2 ein tropisches Paradies geschaffen hat: üppiges Grün von Fächerpalmen, duftendes Ylang Ylang und tropische Fruchtbäume die die zweistöckigen Häuschen beschirmen, deren Terrassen den Blick auf das Walschutzgebiet von Samaná freigeben. Wir sitzen mit Feldstecher im Pool und beobachten die Buckelwale in der Bucht.

Der Norden

Cabarete ist das Rimini der Dominikanischen Republik: überall Bars und Restaurants, Hotels, Reisebüros, Kleiderläden und Beautysalons. Die Autos stehen hupend Stossstange an Stossstange. Erfolgreicher sind die Mopeds, die sich durch den Verkehr schlängeln und auf Verlangen als Taxi fungieren - einfach hinstehen und Handzeichen geben.

In den letzten drei Tagen unserer ersten Karibikinsel regnet es mehr als in den drei Monaten zuvor, was uns aber nur wenig stört. Wir dürfen die Zeit mit angereisten Freunden verbringen, ein besonderes (aber leider seltenes) Vergnügen.

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